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Schubtherapie: Medikamente spielen eine wichtige Rolle in der Behandlung der Multiplen Sklerose. Dabei werden während des Auftritts eines Schubes fast ausschließlich Kortisonabkömmlinge eingesetzt, bei Langzeittherapien wird auf Immunmodulatoren zurückgegriffen, die die Aktivität des Immunsystems senken und so Entzündungen im zentralen Nervensystem lindern.

Kortikosteroide
Bei akuten Erkankungsschüben verabreichen Ärzte kurzzeitig hoch dosierte Kortikosteroide. Diese Kortisonpräparate verbessern die Funktion der Blut-Hirn-Schranke, was dazu führt, dass weniger Entzündungszellen in das zentrale Nervensystem übertreten können. Kortikosteroide mindern meist rasch die Symptome, da sie außerdem die Produktion von Entzündungs- und Botenstoffen, die die Symptome verursachende Entzündung unterhalten hemmen. Nebenwirkungen treten in der Regel erst bei einer langfristigen Behandlung auf und sind daher bei der 3 bis 5 tägigen Schubtherapie nicht zu erwarten.

Langzeittherapien
Trotz der gut einsetzbaren Schubtherapie ist es wichtig eine langfristige Therapie der Multiplen Sklerose anzustreben. Langzeittherapien sollen das Immunsystem günstig beeinflussen und haben zum Ziel die Häufigkeit und den Schweregrad von Schüben zu vermindern. Wie gut die Behandlung im Einzelfall anschlägt, kann sehr unterschiedlich sein und ist abhängig von individuellen Faktoren und vom Verlauf der Erkrankung.

Interferon beta
Sogenannte Interferon-beta-Präparate kommen bereits seit 20 Jahren bei Basis-Therapien zum Einsatz. In diversen Studien wurde die Wirksamkeit des Präparates bereits belegt und die Schubrate um 30% gesenkt werden. Interferone sind Eiweiße und werden in der Regel unter die Haut oder direkt ins Muskelgewebe injiziert. Bei Entzündungsreaktionen im Körper werden die Interferone ausgeschüttet um eine Entzündungsreaktion sowohl zu unterhalten als auch zu bremsen. Der Botenstoff Interferon, der im Körper natürlicherweise vorkommt, vermittelt sozusagen zwischen Zellen. Dies machen sich die Interferon-beta-Präparate zunutze: Das zugeführte Interferon soll beispielsweise die Zahl der aktiven Entzündungszellen senken. Außerdem sollen diese Zellen davon abgehalten werden, in das zentrale Nervensystem einzudringen. Zu den möglichen Nebenwirkungen gehören grippeähnliche Symptome wie Fieber, Muskelschmerzen und Fieber. Diese klingen meist innerhalb der ersten Monate wieder ab.

Azathioprin
Azathioprin wird eingesetzt, wenn beispielsweise Interferon beta nicht oder nur unzureichend wirkt. Der Wirkstoff dämpft vereinfacht gesagt das Immunsystem und vermindert die Schubfrequenz. Da Azathioprin die körpereigene Abwehr unterdrückt gehört es zu den Immunsuppressiva. Immunsuppressiva gehören jedoch nicht zu der ersten Wahl einer Dauertherapie, da ältere Studien mit Azathioprin nicht dem heutigen Standard entsprechen und die Einnahme starke Nebenwirkungen mit sich bringt. Azathioprin hindert unspezifisch alle sich schnell teilenden Zellen am Wachstum, auch die des Immunsystems, und lindert so die Entzündung. Zu den stärkeren Nebenwirkungen zählen z.B. eine Abnahme der weißen und roten Blutkörperchen und -plättchen, wodurch eine Anämie entstehen kann.

Mitoxantron
Mitoxantron wirkt ähnlich wie Azathioprin hemmend auf die Zellteilung, wird alle drei Monate als Infusion verabreicht und kommt daher auch bei der Krebstherapie zum Einsatz. Die Schubfrequenz wird gesenkt und das Fortschreiten der Erkrankung sehr effektiv reduziert. Aufgrund der starken Nebenwirkungen wird Mitoxantron jedoch genauso wie Azathioprin  nur in Fällen eingesetzt, in denen die schubförmige Multiple Sklerose sehr ausgeprägt ist. Mitoxantron weist nach einer gewissen Lebenszeitdosis schwerwiegende Nebenwirkungen auf, wie z.B. Schädigungen an Herz und Leber, Unfruchtbarkeit oder Blutkrebs. Darüber hinaus wird die Blutbildung im Knochenmark unterdrückt. Zu den akuten Nebenwirkungen direkt nach einer Infusion gehören Übelkeit, Erbrechen und Durchfall.

Natalizumab
Natalizumab ist seit 2006 auf dem Markt und wird zu Behandlung gegen schubförmige Multiple Sklerose verwendet. Das Medikament gehört zur Gruppe der monoklonalen Antikörper und blockiert bestimmte Moleküle auf der Oberfläche weißer Blutkörperchen und verhindert auf diese Weise, dass aktivierte Entzündungszellen in Gehirn und Rückenmark eintreten. Natalizumab wird alle vier Wochen mittels einer Infusion verabreicht, insofern Interferon beta keine oder nur unzureichende Besserung der Symptome bewirkt hat oder wenn es sich um eine rasch fortschreitende schubförmige Multiple Sklerose handelt. Das Medikament birgt jedoch auch besondere Risiken und hat Nebenwirkungen. So trat bei der Behandlung mit Natalizumab bei einigen wenigen Patienten eine tödlich verlaufende Virusinfektion des Gehirns auf. Aus diesem Grund wird das Medikament nur nach gewissenhafter Abwägung eingesetzt. Andere Nebenwirkungen die auftreten können sind Kopfschmerzen, Depressionen oder Harnwegsinfektionen.

Glatirameracetat
Glatirameracetat wird gleichberechtigt zu Interferon beta eingesetzt und ist ein künstlich hergestelltes aus vier Aminosäuren bestehendes Präparat. Genau wie Interferon beta reduziert Glatirameracetat die Anzahl der Krankheitsschübe um etwa 30 Prozent. Auch die Wirkung ist sehr ähnlich, da die Autoimmunreaktion gegen die Myelinschicht gesenkt wird. Glatirameracetat wird in der Regel täglich unter die Haut gespritzt und ähnelt der Struktur eines Eiweißes, welches in Gehirn und Rückenmark vorkommt. Zu den Nebenwirkungen gehören unter anderem Lymphknotenschwellungen, Angstreaktionen, Herzrasen, Hautrötungen und Beklemmungsgefühle.

Immunglobuline
Immunglobuline sind Eiweiße, die natürlicher Bestandteil des Immunsystems sind. Sie wirken hemmend auf das Immunsystem und werden als Infusion über die Vene verabreicht. Über die langfristige Wirksamkeit und Dosierung gibt es bislang keine Studienergebnisse, weshalb eher als Ersatztherapeutikum verwendet werden. Enthaltene Nebenwirkungen sind sehr von der Dosierung abhängig. So wird eine niedrige Dosierung meist gut vertragen, es können trotzallem schwere Komplikationen auftreten, wie z.B. anaphylaktische Reaktionen.

Cyclophosphamid
Cyclophosphamid wirkt hemmend gegenüber dem Zellwachstum und gehört zur Gruppe der Zytostatika, die unter anderem auch in der Krebstherapie zur Anwendung kommen. Das Medikament kommt nur in seltenen Ausnahmefällen und bei ausgeprägten Krankheitsverläufen zum Einsatz, beispielsweise als Reservemittel nach Ausschöpfung aller Alternativen. Eine nachhaltige Wirkung konnte bisher in keiner Studie bewiesen werden, aber es kommt bei Versagen aller anderen Therapieoptionen zum Einsatz. Cyclophosphamid wird auch zur Behandlung der chronisch progredienten Multiplen Sklerose Formen eingesetzt und hat ähnliche Nebenwirkungen wie Mitoxantron.